Der Mai war gekommen, nicht nur der Kuckuck rief, sondern ganz generell waren alle möglichen Singvögel wieder da, der Weißdorn begann zu blühen und der Löwenzahn blühte bereits goldgelb auf den Wiesen und setzte auf diese Weise seine ganz eigenen Akzente. Für die alljährlichen Maikundgebungen der Gewerkschaften war es trotzdem noch zu früh. Nun, da das Gras auf den Weiden täglich neue Höhenrekorde aufstellte, trieben nämlich auch die Bauern der Frühzeit ihr Vieh wieder aus, um ebenjenen Rekorden ein Ende zu setzen. Im Blühen der Obstbäume und in den Blütenteppichen auf den Wiesen sahen sie sie den Einzug der wunderschönen Blumengöttin, der Maia, nach der die Römer den Wonnemonat benannten. Im Lateinischen wird der Buchstabe „J“ wie „I“ geschrieben, Erinnerungen an die Biene Maja entstehen also durchaus nicht zufällig. Als junge Braut zog Maia also durchs Land, um sich mit dem Sonnengott, einige Römer beteten beispielsweise Mitras an, zu verheiraten. In jedem Dorf, das etwas auf sich hielt, wurde eine geschälte, mit Blumenkränzen umrankte Birke oder eine Tanne als Maibaum aufgestellt, als Symbol für die Fruchtbarkeit auslösende göttliche Vereinigung. Der Baum wurde umtanzt, starke alkoholische Getränke wurden entweder selbst gebraut oder auf dem Seeweg aus Mittelmeerländern importiert, und in den Flurumgängen mit grünen Zweigen bat man um Segen für Feld und Acker. Die Jungen steckten den Mädchen einen blühenden Zweig, einen „Maien“, als Zeichen der Sinnlichkeit und Fruchtbarkeit, vor die Haustür, sicher nicht ganz ohne Hintergedanken.
Für die keltische Urbevölkerung Europas war der August, insbesondere der Augustvollmond, eine der Hauptfestzeiten. Sie nannten es Lugnasad, welches dem Lugus und seiner Gefährtin, der Matrone, geweihte Feuerfest. Lugus ist die Sonne als feuriger Löwe. Sein Feueratem ist es, der den grünen Saft aus dem Getreide treibt und die Körner in goldene Nuggets verwandelt, der das Obst und Gemüse reifen lässt und die heilenden, duftenden ätherischen Öle in die Kräuter hineinzaubert. Schon in heidnischen Zeiten sammelten und segneten die Frauen jene Heilkräuter, die sie für das ganze Jahr brauchten, um alle Hofbewohner gesund und glücklich zu machen. Arnika, Kamille, Minze, Dost, Quendel, Schafgarbe, Thymian, Salbei, Beifuß und Königskerze beispielsweise mussten von Hand gebrochen werden. In den Alpenländern wird noch immer im August, zu Mariä Himmelfahrt („Würzweihtag“ am 15. August), ein solcher „Kräuterbuschen“ zusammengestellt und in der Kirche gesegnet. Die geernteten Heil- und Gewürzkräuter werden dann in Büscheln in einer durchlüfteten, schattigen Kammer oder auf dem Dachboden zum Trocknen aufgehängt.